Wenn beeindruckende, Beispiel gebende legendäre Kollegen, mit denen ich gearbeitet und einige Stunden der Empathie verbracht habe, aus dem Leben scheiden müssen, kann ich mich weder der Trauer entziehen noch der Freude, sie ein bisschen kennen gelernt und Essentielles gelernt haben zu dürfen. Nicht etwa nur, weil BRUNO GANZ, zurecht oft wie etwa auch Oskar Werner als „Die Stimme“ bezeichnet, im Allgemeinen ob seiner Genialität und seines Mut zu schwierigen Rollen hoch geschätzt wird. Diesbezüglich kenne ich auch andere Kollegen. Für mich war er vor allem ein Kollege mit Haltung und großer Aufmerksamkeit. Als Schauspieler schätzte ich ihn für seine Feinfühligkeit, Zuverlässigkeit, seinen Forschertrieb, sein Durchhaltevermögen und seinen eleganten leisen Humor.

Im Frühjahr 1996 war es mir gegönnt, mit ihm zu arbeiten, wir drehten gemeinsam einen TATORT-Krimi (Schattenwelt) in München. Bruno und ich mimten zwei Antagonisten innerhalb der Münchener Pennerwelt, nicht eigentlich Antagonisten, die beiden Figuren vertraten dieselben Interessen, aber auf verschiedene Art und Weise. Was mir sofort imponierte, war seine Art, sich eine Figur zu erarbeiten und sachlich und ruhig Stück für Stück umzusetzen. Er agierte und reagierte bei jedem einzelnen Take (jeder einzelnen Aufnahme) in Nuancen auf neue frische Weise. Jede noch so kleine Regung nahm er wachsam auf und setzte sie unmittelbar in neue Blicke und Töne um, sodass seine Art gegenwärtig zu sein eine ständige Herausforderung für mich war. Als Interpret hatte er ein musikalisches Ohr von extremer Aufmerksamkeit, und wenn ich ihn nach einem Take wegen seiner nuanciert neuen Interpretation anlächelte, lächelte er auf listig schlanke Weise zurück bedeutend: ich nehme das Match an, was immer Du tust, ich antworte Dir entsprechend, ich geb´ Dir den Ball zurück, mach mit ihm, was Du willst. So entwickelte sich unsere Arbeit schlank und niveauvoll ohne viel Gerede zu immer neuen Höhepunkten und jeder einzelne Drehtag mit ihm zu einem Tennismatch von Grand Slam Niveau.

Was mich an der Schauspielarbeit egal in welchem Genre so herzlich begeistert, hat sich mit ihm in diesen vier Drehwochen auf unaufdringliche Weise erfüllt. Und egal, ob eine/r durch und durch vom Theater kommt oder sich im Filmgenre zu Hause fühlt: die Fähigkeit, nicht nur auf eine Sache konzentriert zu sein sondern ständig aufmerksam auf alle Einflüsse rundum zu achten und gegenwärtig sein zu wollen und zu können, ist die Grundvoraussetzung im Schauspiel neben allen allen Voraussetzungen wie Text und sonstige notwendige handwerkliche Verabredungen.

Bruno Ganz hat es sich weder während seiner fulminanten Schauspiellaufbahn noch in seinem bewegten Leben bis zuletzt nicht leicht gemacht. Seine großen Erfolge waren begleitet von allen möglichen Höhen und Tiefen, was ihn zu dem geformt hat, der er war. Als schauspielerischer Gigant ist er zu Lebzeiten Legende geworden und war doch ein überaus liebenswerter gegenwärtiger Mensch. Den letzten tapferen Kampf mit seiner Krankheit musste er dann leider doch verlieren: mein herzliches Mitgefühl gilt seinen Angehörigen und Freunden.

 

Danke für Dich, lieber Bruno ?  R. I. P.  ❤️

 

https://de.wikipedia.org/wiki/Bruno_Ganz

 

aus TATORT - Schattenwelt (Regie: Josef Rödl, 1996, BR)
vorne: VIKTOR SCHENKEL (Charly), BRUNO GANZ (Bombadil), ERWIN LEDER (Rabe)
hinten stehend: HANS ARNDT (himself), PETER BACHMAYER (Schinderhans)

 

aus TATORT - Schattenwelt (Regie: Josef Rödl, 1996, BR)
BRUNO GANZ, MARION MITTERHAMMER, DOMINIC RAAKE, ERWIN LEDER