SICH SELBST EIN LICHT SEIN - ein Prozess
Reise in die persönliche Freiheit, Eigenverantwortlichkeit und Friedfertigkeit.

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Die Frage um den Frieden auf der Welt geht oft einher mit der Frage, „was muss ich tun, wie muss ich mich ändern, um ein friedfertiger Mensch zu werden.“ Aber Friede und all die Lebenseinstellung, welche damit zusammenhängt, lässt sich nicht bestellen wie Gemüsesuppe im Restaurant. Friedfertig zu sein hängt mit einem Erkenntnisprozess zusammen. Als junger Mann war ich ein idealistischer Pazifist, ich war abhängig von Idealen, Lehrern, Erlösern, anderen Menschen und Umständen. Und all das hat mich praktisch nicht sehr viel weitergebracht. Was ich aber praktisch und aufrichtig berichten kann, kommt aus mir selbst, aus Beobachtungen und Erkenntnissen über das, was wirklich ist. Und mit dieser Wirklichkeit respektvoll umgehen zu lernen ist zwar nicht bequem, führt aber zu Geduld und Disziplin im Umgang miteinander.

Menschen sind seit tausenden von Jahren dieselben geblieben – im höchsten Maße ängstlich, aggressiv, eifersüchtig, neidisch, gierig - mit gelegentlichen Ausbrüchen von Freude und Zuneigung. Wir sind eine seltsame Mischung aus Hass, Furcht und Freundlichkeit, gewalttätig und auch friedfertig. Der äußere Fortschritt hat uns vom Ochsenkarren zur Mondlandung geführt; aber innerlich hat sich das Individuum überhaupt nicht geändert, und dieses Individuum hat die Struktur der Gesellschaft unserer ganzen Welt geschaffen. Das äußere soziale Gefüge ist das Ergebnis der inneren (psychologischen) Strukturen unserer Beziehungen, und das Individuum ist das Ergebnis der gesamten Erfahrungen, des gesamten menschlichen Wissens und Verhaltens: Lagerhäuser der gesamten Vergangenheit sind wir. Die gesamte Geschichte der Menschen ist in uns niedergeschrieben: was liegt ihr zugrunde?

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Äußere Veränderungen veranlasst durch Kriege, Revolutionen, Reformationen, Gesetze und Ideologien haben es nicht vermocht, die Natur des Menschen und die Gesellschaft Grund legend zu verwandeln. Als menschliche Wesen, die wir in dieser monströsen Welt leben, müssen wir uns fragen, ob eine Gesellschaft, die auf Wettbewerb, Gier und Angst gegründet ist, zu einem friedfertigen Ende kommen kann – nicht in einer begrifflichen Vorstellung oder Idee, nicht als irgendeine Hoffnung, sondern wirklich - sodass unser Geist unbelastet neu und frisch ist und eine gänzlich andere Welt hervorbringen kann. Wie soll das geschehen, wenn jedes einzelne menschliche Individuum, welcher Kultur es auch immer angehören mag, sich nicht voll und ganz für den Gesamtzustand seiner Welt verantwortlich fühlt?

Was kann ein Mensch tun, um einfach (und) friedfertig zu leben? Das Suchen einer fixen normativen Realität, die uns als Perspektive von Sicherheit, Frieden und Liebe von Anderen versprochen wurde, hat eine Menge Unordnung in mir hervorgebracht. Die Welt akzeptiert genormte Lebenshaltungen als Bestandteil traditioneller Wege und folgt diesen. Mechanisch folgen wir dem, der uns ein wohltuendes reales oder spirituelles Leben zusichert. Es ist höchst seltsam, dass wir, obgleich wir uns der politischen Tyrannei und Diktatur widersetzen, innerlich die Autorität Anderer hinnehmen, die unseren Geist und unser Leben verwirrt. Vorauseilend gehorsam folgen wir Optionen für ein paradiesisches Leben nach dem Tode. Aber die Frage, ob es Gott gibt, eine höhere Ordnung oder welche Art von Realität für mich entscheidend ist, kann niemals durch Bücher, Theologen, Philosophen oder Erlöser beantwortet werden. Niemand und nichts kann mir diese Frage beantworten als ich selbst; und darum muss ich mich kennen.

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Es gehört Mut dazu, sich in den Spiegel zu schauen, sehen zu wollen, wie man ist – nicht, wie man sein sollte – und Geduld und Disziplin, das Entdeckte erst einmal wirken zu lassen und nicht gleich zu bewerten, zu verurteilen, zu beschönigen, aufzubauschen oder wegzulassen. Zu beobachten, was sich wirklich in mir und in der Außenwelt abspielt – in dieser Wettbewerbskultur, in der ich lebe: ich betrachte die Leistungen, auf die ich stolz bin, und den ganzen Bereich, den ich Liebe nenne. Das ist abgesehen von wenigen Sternstunden alles, was ich kenne.
Und weil ich unfähig bin, dieses Dasein, diesen Kampf zu begreifen, fürchte ich mich davor und spüre verborgenste Möglichkeiten auf, um zu flüchten. Damit bin ich zwar sicher nicht alleine, doch eigentlich ist es paradox, warum Menschen so sehr an einem Leben hängen, das ihnen nur relativ wenige Momente der Befreiung von Ängsten und Widerwärtigkeiten gewährt, an denen sie selbst beteiligt sind und scheinbar nichts dagegen unternehmen können.
Sie fürchten sich vor dem Bekannten und fürchten sich vor dem Unbekannten, vor dem, was hinter dem Morgen liegt und vor dem Tod. Das ist das tägliche Leben.
Und darum ist jede Philosophie, und sei sie noch so durchdacht, sind theologische Begriffe jeder Art, und seien sie noch so überzeugend, eine Flucht vor der eigenen Wirklichkeit, vor dem, was ist.

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Zur Wahrheit führt kein Weg, gerade darin liegt ihre Schönheit. Wahrheit ist etwas Lebendiges. Eine tote Sache hat einen Weg, der zu ihr führt, weil alles Tote statisch ist. Wenn ich aber erkenne, dass Wahrheit etwas Lebendiges ist, beweglich, das keine bleibende Stätte hat und in keiner Kirche oder Moschee zu finden ist, wohin mich keine Religion, kein Lehrer, kein Philosoph führen kann – dann erkenne ich, dass dieses Lebendige da ist, wo ich selbst bin. Und das ist, was ich in Wirklichkeit bin: mein Stolz, meine Angst, mein Ärger, meine Ruppigkeit, meine Verzweiflung, die Verbitterung und das Leid, darin ich lebe, und ein bisschen Zärtlichkeit und Mitgefühl, das trotz allem immer wieder durchfunkelt. Im Verstehen all dieser Dinge liegt Wahrheit.

Da gibt es keinen Lehrer, keinen Führer – keinerlei Autorität. Es gibt nur mich und meine Beziehung zu Anderen und zur Welt - nichts sonst. Ich sehe also ein, dass ich von niemandem abhängig bin und mich in keine Abhängigkeit begeben darf. Ich erkenne das und mag in tiefe Verzweiflung geraten, aus der Zynismus und Bitterkeit erwachsen. Oft gedeihe ich dadurch, dass ich andere tadle, was eine Form von Selbstmitleid ist. Doch wenn ich der Tatsache ins Auge sehe, dass ich – und niemand sonst – für die Welt und für mich verantwortlich bin, dann verschwindet das Selbstmitleid. Ich habe diese verkommene, anmaßende, unruhige, furchtsame, gierige, neidische Gesellschaft mit aufgebaut, in der sich mein tägliches Leben abspielt.

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Ich sehe jetzt, was in der Welt vor sich geht, und beginne zu verstehen, dass es keinen äußeren und inneren, sondern nur einen einheitlichen Prozess gibt, eine alles umfassende lebendige Bewegung, wobei die innere Bewegung sich im Äußeren darstellt, und die äußere wiederum auf das Innere zurückwirkt. Und wenn ich nun das gesamte Bild vor Augen habe, wirklich sehe – nicht nur sage, dass ich es sehe – kann ich mich dann mühelos und spontan ... verwandeln? Wenn ich so einfältig wäre, mir von irgendwoher irgendein System zu geben, welches mir helfen soll mich zu verwandeln, würde ich nur kopieren und nachahmen. Und ich erkenne, dass selbst die Frage „Wie kann ich mich verwandeln?“ eine neue Autorität schafft - und bin augenblicklich mit jeder Autorität für immer fertig.

Da ich jede Autorität ablehne, bedeutet das, dass ich mich nicht länger fürchte. Ich werfe eine Last ab – und habe mehr Schwung, mehr Leistungsfähigkeit und Vitalität. Das fühle ich. Und da ich von niemandem und nirgends Hilfe erwarte, bin ich frei, um zu entdecken. Wo Freiheit ist, ist Energie und Friede. Wo Freiheit ist, kann nichts mehr falsch getan werden. Freiheit ist etwas ganz anderes als Revolte: in der Freiheit gibt es keine rechte oder unrechte Tat. Ich bin frei und friedfertig. Und von diesem Zentrum aus handle ich - frei von Angst, achtsam, aufmerksam und mitfühlend – friedfertig. Ein Mensch ohne Angst ist großer Liebe, großen Mitgefühls und großer Hingabe fähig. Er tut, was er will, ist frei, friedfertig und sich selbst wie auch für sein Umfeld ein funkelndes und willkommenes Licht.